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AutorenbildSylvia Thiel

Île de la Réunion


Im November 2024 bietet ein Erasmus-Programm meiner Schule an, die Insel La Réunion zu besuchen. Ein Geschenk des Himmels und zu meinem 59. Geburtstag dazu!


"Île intense", île à grand spectacle", "conseillée aux blasés oder ganz einfach "le Paradis", eine Menge Namen gaben und geben ihr die Ankömmlinge oder eben "La Réunion", die alles Vereinte und Vereinende.


Die Insel liegt 700 km von der ostafrikanischen Insel Madagascar entfernt und 200 km vor der von Touristen meist überschwemmten und beliebten Insel Mauritius. Ich entfliehe dem üblichen trüben Novemberblues Berlins mit seinem kalten und nebligen Wettergebaren zu afrikanischer feucht-warmer Hitze um die 30°C, Sonne satt und manchmal wohltuenden Sprühregen.


La Réunion ist heute noch ein (für mich) modern

koloniales Kleinod, ein französisches Departement mit einer West-Ost-Peripherie von 207 km und einer Nord-Süd- Achse von nur 72 km. Ähnlich die in einem großen Land erstaunen jedem Besucher die komplett unterschiedlichen Landschaften, die von traumhaften Stränden, felsigen Küsten, üppigen Waldgebieten und von Vulkanausbrüchen geformten Mondlandschaften reichen.

Die etwa zwölf Hauptgipfel der Vulkane erreichen oftmals um die 2000 Höhenmetern.

Unmöglich, diese Naturwunder während eines Besuches vollständig zu entdecken. Selbst die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte Zugewanderten erzählen mir, dass sie noch längst nicht alles gesehen haben.


L´histoire de La Réunion


So einzigartig diese Insel die verschiedenen Naturbilder zueinander fügt, so außergewöhnlich vereint sie die unterschiedlichen Menschen, die auf dieser Insel landeten, kamen, blieben und auch wieder gingen, kleine Erben hinterlassend.


Portugiesische Seefahrer hörten von dem arabischen Volk der Swahili, die auf den Comoren lebten von der "Dina Morgabim" (Insel des Maghreb). 1507 landete eine portugiesische Flotte vor der Küste, am Tag der "Heiligen Apolline" und tauften sie auf den Namen dieser Heiligen Ilha Santa Apolonia.

Schon 1512 nahmt ein gewisser Pedro Mascarenhas im Namen des Königs Besitz von der Insel und nannte das Archipel der drei Inseln (La Réunion, Mauritius und Rodrigue) Mascarenhas - die Maskarenen -, und eben La Réunion dann Mascarin.

Schließlich besetzten 1639 französische Truppen Ludwig XVII., König aus der Bourbonen-Dynastie, weshalb die Insel von nun an Île de Bourbon hieß. Zunächst nutzten sie die Abgeschiedenheit der Insel, um Aufständische aus der Kolonie Madagascar hierhin zu deportieren. Später, 1663, kam eine Gruppe Freiwilliger unter Führung von Louis Payen, der auch die ersten Frauen mitbrachte. Unter ihnen befand sich Marie Case, die dort ihre Tochter Anne Mousse zur Welt brachte, die niemals Île Bourbon verließ. Somit ist die lange historische Geschichte der Creolen geboren, ein Volk, das sich mit Zugewanderten aller historischen Epochen vermischte: französische Kolonisatoren, Besitzer von Zuckerrohr- und Vanille-Plantagen, die ihre Sklaven aus Madagascar mitbrachten, später Inder und Chinesen, die hier billig entlohnte Arbeit suchten, Mönche, Piraten, Handelsleute, Seefahrer aus aller Welt.

Mit dem Tod Ludwig XVI. in den Jahren der französischen Revolution ziemte sich der Inselname nicht mehr. Der damalige Minister für Marine und Kolonien, Gaspard Monge, erwählte den Namen "La Réunion" mit starkem symbolischen Charakter in jener Zeit: Im Bild dieser Epoche verkörperte er perfekt die nationale Einheit und untrennbare französische Nation im neuzeitlichen industriellen Aufbruch.


Die Geschichte von La Réunion lässt sich an der Meeresuferpromenade Saint-Paul, der einstigen Hauptstadt und heute größten Kommune der Insel erlaufen. Auch ein Flohmarkt am Wochenende zeigt so manchen Schatz der Vergangenheit.


Die Schiffe früherer Zeiten landeten vor der Küste von Saint-Paul. Dafür wurde später eine Seebrücke - la Débarcadère- gebaut, wo die Passagiere von Bord gingen. Nicht weit davon standen die Lazarette von Grande Chaloupe im Eingang eines Tals. Hier kamen Ankömmlinge in Quarantäne oder mussten ansteckende Krankheiten auskurieren.



Im Jahre 1810, also nach den wirren Revolutionsjahren, in denen die Franzosen ihre Insel nicht zu verteidigen wussten, bemächtigten sich die Engländer kurze Zeit dieser Insel, verloren aber schnell das Interesse. Sie waren kein Fan der Sklaverei und die Aufstände und die Angst vor einem Bürgerkrieg dort vertrieben sie schnell.


Städte und Leute und unser Zuhause


16 Städte tragen die Namen von Heiligen. Die ältesten sind Saint-Paul, Saint-Denis, Sainte-Marie und Sainte-Suzanne. Es kommen sehr originelle dazu wie Tampon, die am Fuße des Vulkans Piton de la Fournaise liegt, Entre-Deux, Crève-Coeur usw.

Bei Saint-Denis liegt der Flughafen der Insel. Saint-Denis ist heute Hauptstadt, war es aber nicht immer. Der ehemalige Generalgouverneur Labourdonnais, der von Saint-Louis auf Mauritius aus regierte, verlegte sie 1738 von Saint-Paul dorthin, um die günstigen Seewinde und besseren Schiffsrouten zu nutzen und so die Versorgung der Soldaten zu sichern.


Meine liebe Kollegin und Perle Nadia hat mit einem eher zufällig glücklichen Händchen die erste Dienstunterkunft in Saint-Denis gebucht, so dass wir dieses unscheinbare Hauptstädtchen kennenlernen und gleich die erste creolische Spezialität genießen konnten.


Am darauf folgenden Tag bezogen wir unser Quartier in der größten Stadt der Insel Saint-Paul. Auch hier zog uns Nadia das große Glückslos. "Melody" war nach langen Diensttagen ein vorzüglicher Rückzugsort und eine echte Ruheoase. Jeden Morgen genießen wir die malerische Aussicht von unserer Terrasse, den Weg am Meer entlang zu unseren Partnerschulen zu spazieren, einen Kaffee unterwegs gemeinsam mit den freundlichen Einheimischen in der Pâtisserie zu trinken und...


...unsere Schülergruppe wiederzusehen, die auf den Schulhof des Lycée Louis Payen warteten und in deren Räumen wir auch einen Tag am Unterricht teilnehmen konnten. Es gab doch Einiges abzuschauen.



Le Marché Forain



Wenn man sich Einheimischen nähern und aus ihrem Leben erfahren will, geht man am besten auf den Wochenmarkt. Der ist in Saint-Paul so Kult, dass er inselweit bekannt und begehrt ist. Deshalb war ein Besuch dort ein heißer Tipp unserer Partnerkollegin Virginie und fester Bestandteil des Ausflugsprogramms, der alle unsere Herzenswünsche und Tüten (er)füllte.

Natürlich sind die exotischen Früchte nicht nur ein Hingucker, sondern im Geschmack voller Sonne und Exotik. Nie gesehen: Die Jackfrucht oder auch die Jakobsfrucht. Sie wird geraspelt und ist ein vorzüglich schmeckender veganer Fleischersatz im Gericht und die im Geschmack den von Esskastanien ähnelt. Noch unter den Eindruck des Besuchs einer Vanilleplantage umkreisten wir sämtliche Marktstände auf der Suche nach den günstigsten Vanilleschoten-Angeboten. Und die große Auswahl der Sonnenhüte und Strandtaschen verführten zum Mehr-als-nötig-Kauf.



Ausflüge


Der Vulkan Piton de la Fournaise


Gleich am ersten Tag ging es per Bus zum einzig noch aktiven Vulkan auf La Réunion.


Der Piton de la Fournaise ist ein 2630 m hoher Schildvulkan, der vor 380 000 Jahren entstand. Er ist einer der aktivsten in der Welt, bricht immer mal wieder aus, durchschnittlich neun Mal pro Jahr. Die letzte Eruption gab es im Mai 2021 mit spektakulären Lavaströmen, die in Richtung Meer flossen. Die Einheimischen nennen ihn auch gern "le volcan pété" - der Vulkan, der pupst, weil er keine gewaltigen Gasexplosionen ausstößt.


Die Fahrt führt über die Stadt Tampon auf den Serpentinen hinauf zum Vulkangebiet. Die Landschaft verändert sich abwechselnd von Ebenen mit Vulkangesteinen auf schwarzen Boden und karger Natur, zu sandigen Ebenen- La Plaine des Sables-, einsam wirkende Mondlandschaften bis hin zu den in schwarzen Farbnuancen erstreckenden erkalteten Lavaströmen an den Hängen des Vulkans.


Irgendwie kommt mir ein Déjà-vu von ähnlichen Eindrücken vergangener Reisen mit Vulkanbesteigungen in Ecuador und Guatemala. Nadia erinnert sich an die Vulkanlandschaft von Lanzarote, die sie sehr gut kennt. Aber so ähnlich es auch erscheinen mag, für mich ist es immer wieder ein faszinierendes Naturschauspiel, ein magischer Moment, der mich Demut vor der mächtigen Natur lehrt und die den unbändigen Lavaströmen ihre eigenwilligen Wege fließen lässt.


Der höchstgelegene Parkplatz führt zum Aussichtspunkt Pas de Bellecombe Jacob, der uns aufgrund eines sonnigen Tages, die vollständige und so klare Schönheit des Vulkans mit seinen Lavahängen und der Talebene zu Füßen legte. keine einzige Wolke hüllte den Gipfel ein oder versperrte uns den Blick auf all diese Wunder, wie den kleinen Krater am Fuße des Vulkans oder das blaue Meer nach einer kleinen Rundwanderung zur Nordseite des Vulkans.


Dennoch ist das Wandern nicht ganz ungefährlich. Mit den Augen immer konzentriert auf den Weg gerichtet, war ich bemüht trittsicher auf den spitzen Vulkangesteinen, die wie gesät über den Pfad lagen, zu laufen und dann eben doch öfter stehen zu bleiben und beidem Anblick der atemberaubenden Panoramen innezuhalten und das Farbenspiel der Umgebung zu genießen. Oder auch meine Schülerhorde beieinander zu halten, die bereits mit hängenden Zungen ab und zu eine Wasserpause brauchten.


Auf dem Rückweg genossen wir dank des freundlichen einheimischen Busfahrers einige Aussichten wie die Sanddüne La Plaine des Sables, die von Fußspuren markiert aussah, als seien Aliens über die Mondlandschaft geschwebt. Mystisch!


Am Aussichtspunkt des Nez-de Boeuf schaute man aus schwindelerregender Höhe über die Schluchten der Rivière des Remparts.


Gute zwei Stunden trödelten wir durch die Vulkanlandschaft voller faszinierender Eindrücke bei besten Wetter und klarer Sicht in alle Richtungen...ein Glücksfall, wie uns der Busfahrer bestätigte.



Auf der Straße von Tampon stehen wie in einer Allee aufgereiht Flammenblütenbäume, le flamboyant, der Symbolbaum der Insel La Réunion.


Immer wieder sieht man sie in den Gärten und in den Parks von Saint-Paul bis Saint-Leu in dieser leuchtend roten Farbe.






La Vanilleraie Grand Hazier


Dieses sehr authentisch kreolische Anwesen produziert in alter Tradition und in einem seit 150 Jahren angewendeten Herstellungsverfahren Vanilleschoten in höchster Qualität und in feiner Handwerksarbeit.

Während einer interessanten Führung erfuhr man über die Behandlung und manuellen Bestäubung der zarten Vanilleblüte im Detail, die dann im Wachstum pro Blüte bis zu 15 Vanilleschoten verschiedenster Dicke und Länge bildet.


Auf die Idee, dieses wohlschmeckende und feine Gewürz aus der Blüte auf so raffinierte Weise zu gewinnen, kam 1841 ein 12jähriger Sklavenjunge namens Edmond Albius. Er entwickelte das Verfahren der manuellen Befruchtung.


Der Verarbeitungsprozess ist sehr aufwendig und wird dort während des Besuchs in den verschiedenen Produktionsräumen erklärt und erlebbar gemacht. Mehrfache natürliche Trockenprozesse und Sortierungen ergeben eine schwarze wohlriechende Vanilleschote, die am Ende ihren ansehnlichen Verkaufspreis erworben hat. Die Holzkisten auf dem Foto sind für die Lagerung des teuren Endproduktes, aber auch als Sitzbank für das lauschende Publikum bestimmt. Man sitzt selten mit seinem Hintern auf einem 40 000 Euro- Schatz ( so der guide!)


Die mehrfach ausgezeichnete Vanilleraie in Sainte-Suzanne produziert nur für die Insel und die Ausfuhr der reinen Vanilleschote oder des Extrakts ist lediglich auf 15 g pro Person limitiert.


Es wurde uns erzählt, dass Madagascar der größte Produzent von Vanille auf der Welt sei und die von dort exportierten Vanilleschoten auf dem Markt von Saint-Paul günstiger zu erwerben und von ähnlich gutem Geschmack seien. Warum? Weil dort weitaus niedrigere Löhne für die Arbeit gezahlt werden und nicht dem Vergleich französischer Löhne auf La Réunion unterliegen.


Mir ging es ähnlich wie nach dem Besuch von Kaffeeplantagen in Südamerika: Ich weiß die so aufwendige und schwere Handarbeit bei der Gewinnung von Vanille weitaus mehr zu schätzen und deren Genuss anders zu schmecken. Ob das auch alle meine Beschenkten wissen werden, die ich passenderweise zu Weihnachten damit überraschen möchte? Eher nicht!


Kélonia, das Schildkrötenreservat in Saint-Leu


Heute ist mein Geburtstag. Einen besseres Geschenk als diesen außergewöhnlichen Besuch hätte ich mir nicht wünschen können.


Nadia hat mir am Morgen - Überraschung! - einen Geburtstagstisch gedeckt. Es hat mich sehr gerührt, dass alle Geschenke in ihrem Koffer Platz fanden und so liebevoll zusammengestellt waren.


Mille gracias, Nadia, :).






In Kélonia, diesem für Meeresschildkröten spezialisierten Aquarium werden die meistens im Meer verletzten Tiere, behandelt, beobachtet und ausgewildert. Es ist auch eine wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung der Lebensräume der Meeres- und auch Erdschildkröten.



Sonne, Strand und endlich Meer!


Ab Mittag zogen die schon sehr warmen Temperaturen noch einmal an und zwei Stunden später erschien die Hitze unerträglich. Die Ausflüge endeten zunehmend im angenehm frischen Meer. Einen offiziell erlaubten Badestrand mussten wir allerdings erstmal mit dem Bus oder nach einigen Minuten Fußmarsch erreichen.

Vor der Insel liegen wertvolle, noch intakte Korallenriffe, die aktiv geschützt werden. Oftmals weht wegen gefährlicher Strömungen die rote Fahne für das Badeverbot. Andere Strände sind nicht zum Baden geeignet wegen einer großen Haipopulation. Manche Küstenabschnitte sind steile Vulkangesteinküsten, in einigen Buchten suchen sich jedes Jahr Wale ihre Plätze zum Paaren. So hilft uns zumindest ein natürliches Schwimmbecken in Baucon Canot aus beim kurzen Abkühlen oder trotz stürmischer Winde reicht die Lagune vor Saint-Leu dafür. Die wohl schönste Lagune zum schwerelosen Treiben lassen auf dem Wasser fanden wir in Les Salines kurz hinter dem Strand von Hermitage. An diesen wiederum entdecken wir ein Unterwasserparadies für das Schnorcheln, wo wir umschwärmt von so bunten Nemofischen inmitten von Korallenfelsen schwammen. Traumhaft!



Auf meinen unzähligen Reisen begegnen mir immer wieder wundervolle und besonders einprägsame Momente, wenn sie auch mit den Jahren nicht mehr so häufig vorkommen. Diese Insel hält zwei unvergessliche Eindrücke in meiner Erinnerung fest: Das sind zum einen die so verschiedenen Menschen, die in harmonischer und so selbstverständlicher Weise ihre Kulturen, Religionen und ihre kulinarischen Eigenheiten und Bräuche teilen und auch friedlich vereinen, die mich die derzeit so kriegslustige irre Welt Europas sehr weit weg schon fast auf einen anderen Planeten glauben lässt und meine Angst um die Zukunft dort zumindest einen Augenblick vergessen lässt.


Die Réunionais und Réunionaises begrüßen Gäste der Insel nicht überschwänglich und ohne touristischen Pomp, aber sie sind gern willkommen. Man bietet ihnen an , so scheint es mir, an ihrem Leben teilzuhaben, die Insel zu entdecken, wie sie und ihre Vorfahren es einst taten. Sie begegnen den Besuchern immer freundlich, sind verhalten interessiert, aber stets gesprächsbereit, hilfsbereit und in allem tief ruhend und gelassen. Das ist ansteckend und so findet wohl jeder Besucher mit ihnen zusammen die Ruhe und Entspannung, die in einem Inselurlaub gesucht wird.


Das zweite unvergessliche Wunder ist die so unfassbar tiefblaue und klare Farbe des Wassers, die so viel Strahlkraft und edle Schönheit besitzt und im Licht der Sonne glänzt, das mich mein Blick lange wie hypnotisiert festhält.

Während einer Bootsfahrt entlang der Küste von Saint-Gilles nach Saint-Paul schien das Meer mir zeigen zu wollen, dass es an jeder Stelle dieses Azurblau liebt und aufbewahrt.






Es war eine paradiesische Dienstreise!

"Il faut toujours un peu corriger la fortune!" Das Schicksal hat wieder einmal gewusst, wieviel mir diese Reise bedeuten würde.














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